Helvi Leiviskä: Klavierquartett A-Dur op. 1
Festivalauftakt – Sonntag, 24.09.2017, 19:00 Uhr, Theater in Kempten
Helvi Leiviskä (1902-1982): Klavierquartett A-Dur op. 1 (1925-1926, rev. 1935)
»Wenn es passiert, dass ein guter Freund eine sorglosere Einstellung zum Leben und eine unkritischere Herangehensweise ans Komponieren vorschlägt, spüre ich, unter anderem, in meinem Innersten, dass ich keine andere Wahl habe, als meinem Ideal treu zu bleiben.« (Helvi Leiviskä)
Die aus Helsinki stammende Komponistin Helvi Leiviskä gilt noch vor Kaia Saariaho in den 1920er und 1930er Jahren als anerkannte finnische Komponistin, die freilich bei uns nie wirklich bekannt geworden ist. Nach Studien an Helsinkis Sibelius-Akademie und in Wien versuchte sie vergleichsweise spät einen Karrierestart als Komponistin im Jahr 1935 mit ihrem Klavierkonzert. Dass der Erfolg ausblieb, ist eher der Situation als Frau in einem von Männern dominierten Konzertbetrieb geschuldet, der selbst anerkannt bedeutende Werke von Komponistinnen zumeist ignorierte. Die ausbleibende Resonanz zwang Helvi Leiviskä, ihren Lebensunterhalt als Klavierlehrerin und mit journalistischen Aufgaben für mehrere Periodika zu bestreiten. Von 1933 bis 1968 nahm sie die Stellung einer Musikbibliothekarin an der SibeliusAkademie ein.
Unter ihren vergleichsweise wenigen, jedoch zumeist großformatigen Werken (vier Sinfonien, ein Klavierkonzert, etwas Kammermusik) findet sich das im Festival zu hörende Klavierquartett, das 2014 mit unserer Festivalkünstlerin Nina Karmon eingespielt worden ist. Es stammt aus dem frühen Jahr 1926 und ist neun Jahre später gründlich überarbeitet worden.
Der deutlich kontrapunktisch-spätromantische Stil des Werks ist laut einschlägigen Rezensionen auch bei den späteren Stücken zu finden. Doch ist die Tonsprache kraftvoll und selbstbewusst. Die Anmerkung eines Rezensenten zum Klavierkonzert aus demselben Jahr 1935 kann ohne Abstriche auf das Klavierquartett übertragen werden: »… ausgedehnte Dimensionen ohne weibliche Sentimentalität oder schwächlich zusammengesetzte Miniaturen …« Und zu einer Aufführung des Klavierquartetts 2008 in London schrieb der Rezensent Kimmo Korhonen: »Es war eine angenehme Überraschung für viele (männliche) Kritiker, dass Leiviskä keine lyrischen Miniaturen geschrieben hat; stattdessen war ihre Musik kraftvoll und ausladend, und sie zögerte sogar nicht, das höchste Genre der Sinfonie zu attackieren.«