Ethel Smyth: Streichquintett E-Dur op. 1
Konzert I – Mittwoch, 27.09.2017, 20:00 Uhr, Theater in Kempten
Ethel Smyth (1858-1944): Streichquintett E-Dur op. 1
Mit Energie und einer Portion burschikoser Sturheit, Eigenschaften, die sie auch später auszeichneten, schaffte es Ethel Smyth, Tochter eines kinderreichen Generalmajors der Artillerie, gegen alle familiären und gesellschaftlichen Widerstände zum Musikstudium nach Leipzig gehen zu dürfen.
Bereits ein Jahr nach Beginn ihres Studiums bei Carl Reinecke verließ sie das Konservatorium, weil ihre Lehrer mit der einzigen weiblichen Studentin nichts anfangen konnten oder wollten. Der Brahms-Freund Heinrich von Herzogenberg nahm sich der wissbegierigen Engländerin an und fortan konnte sie, in dessen Familie wie ein Kind aufgenommen, nach Herzenslust lernen und mit den vielen Musikern, die dort verkehrten (darunter Grieg, Tschaikowskij oder Brahms), diskutieren.
Frühe kammermusikalische Arbeiten blieben weitgehend unbemerkt, obschon sie hätten aufmerksam machen können. Sie zeigen nämlich bereits Charakteristika, die auch das weitere Schaffen prägen: Kraft und einen trotz vieler Einflüsse eigenständigen Weg, der auf dem Boden romantischer Ideale jedes Experiment mit den musikalischen Neuerungen jener Zeit meidet – eine Weigerung, die nicht nur einem Max Bruch, besonders natürlich Ethel Smyth als Frau umgehend als Unfähigkeit angekreidet wurde. Ganz wichtig aber: Gleich die ersten Werke zeigen, dass es »weibliche« Kompositionen nicht gibt und schon von daher jedes geschlechtsspezifische Vorurteil entfällt. Ethel Smyths »robuster« Einsatz für die Frauenrechte, der ihr am Ende gar eine Inhaftierung mit der gesundheitlichen Folge fortschreitender Ertaubung eingetragen hat (ohne eine spätere Erhebung in den Adelsstand als »Dame« zu behindern), hat einen wohlwollenden Umgang mit ihrem künstlerischen Schaffen sicher auch nicht gefördert – ber den hätte sie auch gar nicht angestrebt, denn es ging ihr um Anerkennung, nicht um gönnerhafte Akzeptanz.
Das Streichquintett E-Dur trägt die erste Werknummer und stammt aus dem Jahr 1884. Es gehört damit in jene Leipziger Werkgruppe, die deutlich die kraftvolle und klare Handschrift von Ethel Smyth trägt. An dieser Eigenständigkeit ändert nichts, dass es gelegentliche Anklänge an Dvořák zu entdecken gibt. Gleich der den Beginn markierende Akkordschlag lässt keinen Zweifel, dass es da keine Zaghaftigkeiten gibt, vielmehr Selbstbewusstsein, ein Kopfsatzthema wie ein Aufruf. Ein nur knappes Andantino-Intermezzo der fünfsätzigen (!) Anlage trennt den ausgreifenden Kopfsatz von einem pochend-jagenden Scherzo; ein erneut nur kurzes Adagio (Ethel Smyth leistet sich keine ausufernden Sentimentalitäten) und ein gewaltiges Finale mit fugiertem, »gelehrtem« Beginn – eine bemerkenswerte Komposition.