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David Matthews, Komponist

Unser Composer-in-Residence 2011, David Matthews, hat nachfolgende autobiographische Skizze zur Verfügung gestellt:

David Matthews, Komponist

David Matthews, Komponist

Kindheit und der Wunsch zu komponieren
Ich bin ein Londoner, geboren am 9. März 1943 in Walthamstow und aufgewachsen im nahe gelegenen Leytonstone. Die Nähe von Epping Forest, gab mir als  Kind das Gefühl des Zugangs zur Landschaft von Essex, für mich zunehmend wichtiger, seit ich mich als Teenager intensiv mit der Naturgeschichte beschäftigte. Meine Eltern kamen beide aus dem Arbeitermilieu. Ohne höhere Bildung waren Sie besorgt um die Ausbildung von  meinem Bruder Colin und mir – und sie waren erfolgreich,  nachdem wir beide nach dem Abschluss der Grundschule  mit elf Jahren ein Stipendium zum Besuch einer höheren  Schule, der Bancroft’s School in Woodford, erhielten.  Meine Mutter besorgte uns Klavierunterricht; ich lernte ab  dem Alter von sieben Jahren und man hielt mich für einen  guten Pianisten. Dennoch gab ich mit dreizehn Jahren auf  und hörte die nächsten Jahre zum Schrecken meiner Eltern nur noch Rock ’n‘ Roll.

Doch mit sechzehn Jahren entdeckte ich klassische Musik wieder, vor allem Orchestermusik, die ich im Radio hörte: das packte mich so sehr, dass ich beschloss ich müsse komponieren, und als ich zu Weihnachten 1959 eine Aufnahme von Beethovens Neunter Sinfonie gekauft hatte, begann ich, eine eigene Sinfonie zu schreiben. Es nahm mich ein Jahr in Anspruch, und dann begann ich gleich mit einer anderen. Colin hatte auch begonnen zu komponieren und da es keinen Musiklehrer an unserer Schule gab waren wir eine Reihe von Jahren gegenseitig unsere eigenen Lehrer. Die Leute fragen mich oft, wie es ist, einen Bruder zu haben, der Komponist ist, und die klare Antwort ist, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie es ist, keinen zu haben.

Höhere Bildung, frühe Arbeiten in der Musik und die Suche nach einer Stimme
Da in der Schule keine Musik unterrichtet wurde, konnte ich kein Musikstudium in Betracht ziehen und gab mich mit Kunst zufrieden, wo ich nicht wirklich gut war, aber es verschaffte mir eine Frist von drei Jahren, in der ich herausfinden konnte, wie ich ein professioneller Komponist werden könnte, was zu jener Zeit eher unwahrscheinlich war. Ich ging an die Nottingham University und nach dem Abschluss fragte ich Deryck Cooke, mit dem Colin und ich wegen unseres Interesses an der Aufführung seiner Version von Mahlers 10. Sinfonie in Kontakt gekommen waren (wir arbeiteten später mit ihm zusammen an der Orchestrierung der letzten Fassung seiner Partitur), mir zu helfen, Arbeit in der Musik zu finden.

Er brachte mich mit Donald Mitchell zusammen, der gerade FaberMusic gegründet hatte, in erster Linie um die Musik von Britten zu veröffentlichen. Ich erledigte einige Kopier- und redaktionelle Arbeit für Faber‘s, und im Frühjahr des Jahres 1966 wurde ich gebeten, die ‚Proben-Partitur‘ von Brittens The Burning Fiery Furnace zu vervollständigen, da Martin Penny, der daran arbeitete, krank wurde. Später in jenem Jahr fragte mich Britten, ob ich noch mehr Arbeiten für ihn erledigen wollte und so wurde ich für die nächsten drei Jahre in Teilzeit Assistent seines regulären Musik-Assistenten Rosamund Strode und verbrachte längere Zeit mit Arbeiten im Red House in Aldeburgh.

Britten war der erste Komponist, den ich kennengelernt hatte, und als Lehrling in seinem Atelier beobachtete ich, wie er arbeitete, lernte ich, wie ein Komponist seinen Job ausübt; ich wusste damals noch nicht, dass ich kein besseres Beispiel bekommen konnte und dass das eine unbezahlbare Ausbildung für einen Komponisten war. Ich wusste, dass Britten nicht unterrichtete, und ich war auch schüchtern und zu jener Zeit ziemlich zurückhaltend gegenüber ihm als Komponist, sodass ich ihm meine Musik nicht zeigte. Ich hätte gern bei Tippett studiert, der damals meine wahrer Held unter den lebenden Komponisten war – ich schrieb schließlich schrieb ein kleines Büchlein über ihn, das im Jahr 1980 veröffentlicht wurde – aber Tippett unterrichtete dennoch nicht. Er empfahl einen jüngeren Komponisten, Anthony Milner, und so entschied ich mich für privaten Unterricht bei ihm. Sowohl Anthony Milner wie auch Nicholas Maw – den ich etwa ein Jahr später kennenlernte, als ich gebeten wurde, den Klavierauszug seiner Oper The Rising of the Moonanzufertigen und dessen Musik ich sehr bewunderte – gaben mir das Vertrauen, zu schreiben, wie ich wollte, statt zu versuchen, zu komponieren wollen wie Boulez oder Stockhausen, die die Musikszene in den 1960er Jahren dominierten.

Ich wusste, dass ich nicht dazu bestimmt war, der aktuellen Avantgarde zu folgen, sondern einen Weg zu gehen, ähnlich dem von Britten und Tippett, auch mit Wurzeln in der Wiener Klassik – bei Beethoven vor allem – und auch bei Mahler und den Modernen zu Anfang des 20. Jahrhunderts- Strawinsky, Schönberg (nicht die Zwölftontechnik Schönbergs), Berg und Bartók. Ich hatte immer gewusst, dass ich die Tonalität nicht aufgeben musste, sondern versuchen, die Gegenwart mit der Vergangenheit zu versöhnen, und die reichen traditionelle Formen zu verfolgen. Ich bewahre mir eine feste Bindung an eine Musik, die im Gesang und Tanz gegründet und mit der Sprache des Volkes verbunden ist.

Frühe Werke und Leistungen
Ich hatte keine öffentlichen Aufführungen bis im Jahr 1967 ein Streichquartett, dass ich an das BBC Reading Panel (das leider nicht mehr existiert) geschickt hatte, mit dem Dartington Quartet gesendet wurde. Im Jahr 1969 habe ich zwei Orchesterlieder an die Gesellschaft zur Förderung der Neuen Musik geschickt. Sie wurden angenommen undin einem orchestralen Workshop im Mai 1970 in der Royal Festival Hall von Jane Manning mit dem London Philharmonic Orchestra unter Norman Del Mar aufgeführt. Es war ein aufregender Moment zu wissen, dass meine Orchestermusik (bis dahin hatte ich drei Sinfonien geschrieben, die jetzt alle vernichtet sind) tatsächlich funktioniert.

In diesem Jahr hatte ich auch Stücke, die in der Queen Elizabeth Hall und im Purcell Room gespielt wurden, aber dann kamen mehrere Jahre ohne irgendwelche Aufführungen und nur sehr wenig zu meiner Zufriedenheit zu Ende gebrachte Dinge. Ich war aus meiner Kellerwohnung in Ladbroke Grove ausgezogen und lebte nun in Burwash in Sussex, wo ich ein Häuschen mietete, das meiner damaligen Freundin und ihrer Schwester gehörte. Die drei Jahre, die ich dort verbrachte, waren eine englische Idylle in einer schönen und unberührten Landschaft, aber hielt Kontakt mit der musikalischen Welt in London und verbrachte einen Großteil der Zeit mit dem Schreiben eines großen Chor-und Orchesterwerks, das mich freilich nicht zufriedenstellte.

Die Zusammenarbeit mit Peter Sculthorpe
Im Jahr 1972 traf ich den australischen Komponisten Peter Sculthorpe, der zu jener Zeit Gastprofessor an der Universität Sussex war, in der Nähe wohnte und jemanden brauchte, ihm bei seinem Musiktheater Rites of Passagefür die Eröffnung des Sydney Opera House zu helfen. Wir wurden Freunde und entdeckten, dass wir uns in vielen Dingen einig waren und fruchtbar uneinig in anderen. Peter war mein bester Lehrer: Er gab mir eine andere Perspektive auf die Musik, selbst misstrauisch gegenüber der Dominanz der europäischen Musik und mehr an Asien interessiert.

Im Jahr 1974 machte ich den ersten von vielen Besuchen in Sydney, nahm Aufenthalt in seinem Haus, setzte die Arbeiten am unvollendeten Werk Rites of Passage fort und half mit bei der Musik für einen Fernsehfilm – das erste von drei Filmmusik-Projekten, die wir gemeinsam unternahmen. Während ich in Sydney war schrieb ich auch ein eigenes Stück, eine Elegie (es wurde der letzte Satz meines zweiten Streichquartetts) in Erinnerung an einen Freund, der bei einem Flugzeugabsturz getötet worden war, kurz bevor ich England verließ – es war bis dahin mein bestes Stück.

Aufbau einer Karriere
Die nächsten zwei Jahre lebte ich in Oxford und bemühte mich um die Wiederaufführung einiger Stücke. Ich schrieb meine tatsächliche 1. Sinfonie, die beim Stroud Festival unter Norman Del Mar gespielt wurde, aber sie gefiel mir nicht und ich musste sie ein paar Jahre später umarbeiten. Ein kleines Stück zog die Aufmerksamkeit von Anthony Burton auf sich, damals ein junger Produzent für Radio 3, und er erhielt für mich einen Auftrag der BBC für ein drittes Streichquartett, mein wirklicher Einstieg bei der BBC, die mich unterstützt seitdem unterstützt hat.

Ich zog zurück nach London und verbrachte die nächsten 25 neben Clapham Common, in der Nähe meines Bruders und seiner Frau. Im Jahr 1980 konnte ich eine Wohnung auf Clapham Common North Side kaufen mit dem Geld, das ich für die Orchestrierung von Carl Davis‘ Partitur zu Abel Gance‘s Film »Napoleon« verdient hatte. Musik zu Carls Stummfilm-Projekten wurde die Hauptquelle für meinen Lebensunterhalt in den folgenden 10 Jahren. Ich habe es immer geschafft, ohne feste Bindungen zu bleiben, wie ich es von Anfang an beabsichtigt hatte, und habe, ebenso absichtlich, jede Vollzeitlehrtätigkeit vermieden.

Im Jahr 1982 wurde meine zweite Sinfonie vom Philharmonia Orchestra unter Simon Rattle aufgeführt mit dem Ergebnis dieser eines Angebots für einen Verlagsvertrag von Faber Music. Ich traf auch Maggie Hemingway, die mein Partner bis zu ihrem frühen Todim Jahr 1993 wurde. Maggie schrieb und veröffentlichte, während wir zusammen waren, vier Romane und auch die Worte für meine dramatische Szene »Cantiga« für Sopran und Orchester, die 1988 bei den BBC Proms durch Jill Gomez uraufgeführt wurde.

In den zehn Jahren, die ich mit Maggie verbrachte, komponierte ich zwei weitere Sinfonien und vier sinfonische Dichtungen, wurde Musikberater des English Chamber Orchestra und habe sieben Stücke für sie geschrieben; ich entwickelte besondere Beziehungen zum BBC Philharmonic Orchestra – das drei meiner Stücke uraufgeführt hat – und das Nash Ensemble, für das ich sechs Stücke komponierte eine Reihe von Bearbeitungen anfertigte. Ich liebe es sehr zu arrangieren, sowohl die Reduzierung von Orchestermusik auf Kammerensemble wie auch die Orchestrierung von Klaviermusik.

Im Jahr 1985 kaufte Maggie ein Haus in Deal in Kent, und das Leben am Meer wurde ein wesentlicher Teil meines Lebens – noch immer verbringe ich mehrere Monate im Jahr dort. Von 1989 bis 2003 war ich künstlerischer Leiter des Deal Festivals, eine lohnende Aufgabe bei dem Versuch,die besten Musiker, die ich Auftreiben konnte, in diese kleine Stadt zu bringen, die mich immer ein wenig an Aldeburgh erinnerte, und ich versuchte, das Festival nach dem Vorbild des Aldeburgh Festivals in seinen frühen Tagen vor dem Gebäude der Mälzerei zu formen.

Zwischen 1993 und 1996 komponierte ich – und überarbeitete ich nach der ersten Aufführung durch die Huddersfield Choral Society umfassend- mein bis dahin umfangreichstes Stück, „Vesper“ für Soli, Chor und Orchester, die Vertonung einiger traditioneller lateinischer Texte, aber auch einiger Gedichte von Rilke in Englisch. Von 1997 bis 1999 war ich Composer-in-Residence bei der Britten Sinfonia und schrieb drei Stücke für sie, darunter meine fünfte Sinfonie, die 1999 bei den Proms uraufgeführt wurde. Im Jahr 2000 begann ich ein Cello-Konzert, »Concerto in Azzurro«, für Steven Isserlis zu schreiben, einem von einer Reihe von Freunden, deren Spielstil ich gut kenne. Es ist immer am besten, für Freunde schreiben zu können.

Ich habe eine besonders enge Beziehung zum Geiger Peter Sheppard Skaerved, für den ich viele Solo-Stücke, geschrieben habe, darunter 15 Fugen, und das Kreutzer Quartet, das er führt, nimmt gerade alle meine Streichquartette auf. Nach Abschluss des Cello-Konzerts im Jahr 2002 nahm ich mir 6 Monate Zeit, um eine Britten-Biographie zu schreiben. Ich mag das Schreiben von Wörtern, und habe während des ganzen Arbeitslebens immer Artikel und Programm-Notizen geschrieben, obwohl ich es schwieriger finde als das Schreiben von Musik.

Gegenwart und Zukunft
Ich lebe nun, zusammen mit meiner Frau Jenifer, im Vorort Hampstead Garden, einem angenehmen Stadtteil Londons mit einem Wald am Ende meiner Straße. Meine aktuelle Musik ist diatonischer geworden, und ich habe in einigen Stücken Volkslieder verwendet und in anderen Vogelgesang einbezogen. Die Landschaft und die natürliche Welt sind seit jeher wichtige Impulse für meine Musik. Im Jahr 2007 wurde meine sechsteSinfonie, die größte, die ich geschrieben habe, basierend auf Vaughan Williams‘ Hymne »Down Ampney«, bei den BBC Proms durch das BBC National Orchestra of Wales unter Jac van Steen uraufgeführt; es wurde von Publikum und Kritikern gut aufgenommen. Zukünftige Aufnahmen beinhalten einen Sinfonie-Zyklus auf dem Label Dutton, einen kompletten Zyklus von Streichquartetten für Toccata Classics und zwei sinfonische Dichtungen und das Cellokonzert bei Chandos.

Sodann habe ich eine siebten Sinfonie fertig, und auch ein elftes Streichquartett : Sinfonien und Streichquartette verfolgen mich weiterhin, wie sie es immer getan haben. Ich denke, dass ich jetzt vielleicht lerne, wie man sie zu schreiben, und ich habe nicht im geringsten, ich hätte schon das Beste erreicht, wozu ich fähig bin. das Beste was ich fähig bin erreicht.

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