Ragnar Söderlind, Komponist
Ragnar Söderlind wurde 1945 in Oslo geboren. Schon in jungen Jahren beschäftigte er sich intensiv mit Musik, im Alter von 19 wurde sein erstes Orchesterwerk aufgeführt. 1976 legte er sein Kapellmeisterexamen an der Musikhochschule Oslo ab. Kompositorisch ist Söderlind überwiegend Autodidakt, auch wenn er Kontrapunktstudien bei Conrad Baden und ein Kompositionsstudium an der Sibelius-Akademie in Helsinki bei Erik Bergman und Joonas Kokkonen betrieben hatte.
Grundlage von Söderlinds Kompositionstechnik war die Verschmelzung der um 1960 im norwegischen Musikschaffen vorherrschenden musikalischen Avantgarde mit spätromantischer, an Mahler und Strauss erinnernder Harmonik und Klangfarbe, was ihm das Etikett eines Neoromantikers eintrug. Dabei sollte die bewusste Hinwendung zum Melodischen und Traditionellen sicherstellen, mit der Musik ein weites Publikum zu erreichen, um dieses dann zum Nachdenken und zu politischer Reflexion anregen zu können. Beispiele dafür sind seine Stücke Trauermarsch, das 1968 den Hungertod in Biafra und den sowjetischen Einmarsch in die Tschechoslowakei thematisierte, oder die zweite Sinfonie, die die Auseinandersetzungen zwischen samischer Bevölkerung und staatlichen Behörden um einen Kraftwerksbau in Lappland kommentiert. Gerade in letzterem Werk verband sich der politische Ansatz Söderlinds mit dem Thema Natur, das er immer wieder bearbeitet hatte: Sein kompositorischer Durchbruch war ihm 1967 mit der sinfonischen Dichtung Rokkomborre gelungen, die das überwältigende Naturerlebnis eines nordnorwegischen Gebirgszugs in Töne fasst.
Söderlinds Neigung zu erzählender Musik führte ihn neben Kantaten und Liedern auch zu mehreren Opern und Ballettmusiken nach Texten von Ibsen, Hamsun oder Moe. Ein weiterer Bereich seines Schaffens ist der Rückgriff auf norwegische Musiktradition, zum Beispiel in der Orchestrierung mehrerer Klavierlieder Edvard Griegs oder in der Vervollständigung dessen Fragments Olav Tryggvason.
Söderlinds Werksverzeichnis umfasst inzwischen über 100 teils großformatige Werke, er unterrichtet Instrumentation an der Musikhochschule Oslo und hat für alle nennenswerten Musikinstitutionen Norwegens, aber auch für das Ausland Kompositionsaufträge erhalten.
(Text angelehnt an die von Harald Herresthal verfasste Biographie.)